Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
bitte streichen Sie sich den heutigen Tag rot im Kalender an! Denn es ist nicht nur die letzte reguläre Sitzung des Gemeinderates unter Leitung von Herrn Oberbürgermeister Gönner, es ist aller Voraussicht nach für lange Zeit auch die letztmalige Verabschiedung eines Haushaltes ohne neue Schulden, und auch das nur, wenn das Land die versprochene Übernahme der Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen realisiert.
Die Finanzplanung sieht für die kommenden Jahre bereits heute wachsende Schulden voraus. Nächstes Jahr kommen 5 Mio., 2018 8 Mio. und 2019 fast 10 Mio. neu hinzu, so dass wir dann wieder bei über 150 Mio. € Schulden sind. Hatten nicht einige hier am Tisch in den letzten Jahren davon gesprochen, dass Ulm praktisch schuldenfrei wäre? Das war natürlich ein Trugschluss, denn das Geld auf den sogenannten Sparbüchern war ja längst verplant und ist bereits jetzt – schneller als erwartet – wieder weg.
Bei den Haushaltsberatungen im Januar habe ich noch gefragt, ob einige Stadträte den Haushaltsentwurf eigentlich gelesen haben. Heute frage ich mich, ob einige hier am Tisch überhaupt das arabische Zahlensystem kennen!
Ex scientia pecuniae libertas. “Aus der Kenntnis über Geld kommt Freiheit.” so lautet eine römische Weisheit.
Eigentlich ist es ganz einfach und erfordert wirklich keine höhere Mathematik:
Wir haben jährliche Abschreibungen von rund 36 Mio., die jedes Jahr um 3 bis 4 Mio. wachsen. Dazu Personalausgaben von 120 Mio., die jedes Jahr um 2 Mio. wachsen. Den größten Teil der Ausgaben machen die Transferaufwendungen von 180 Mio., die bis 2019 um etwa 10 Mio. wachsen. Dazu Aufwendungen von Sach- und Dienstleistungen von 75 Mio., die auch weiter wachsen und nicht schrumpfen. Und dann noch „Sonstiges“ in Höhe von 18 Mio. Euro und Zinsen von ca. 4 Mio. Euro.
Rechnet man das zusammen, kommt man auf die rund 433 Mio. Euro, die wir ausgeben wollen, mit einer Steigerung um mindestens 10 Mio. pro Jahr.
Dem gegenüber stehen Einnahmen, die bei allerbester Wirtschaftslage gerade mal den jetzigen Ausgaben entsprechen, aber nicht im gleichen Maße steigen können. Prognostiziert ist ein Anstieg um nur 3-4 Mio. Euro im Jahr – und auch das nur bei gleichbleibend hohen Erträgen aus Gewerbe- und Einkommensteuer.
Von weiteren Risiken habe ich dabei noch gar nicht gesprochen. Und ich meine nicht nur mögliche Auswirkungen der Weltpolitik, sondern auch hausgemachte Risiken. Ich verweise dazu auf Seite 8 der Finanzplanung wo es heißt:
„Angesichts des ehrgeizigen Investitionsprogramms besteht weiterhin ein hohes Risiko darüber hinausgehender zusätzlicher Neuverschuldung. Daneben ist völlig offen, in welchem Umfang weitere Kapitaleinlagen oder ähnliche Zuführungen bei den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm GmbH erforderlich sind.“
Meine Damen und Herren, wir leben weit über unsere Verhältnisse! Man kann ja vielleicht diese Realität ignorieren, aber man kann nicht die Konsequenzen dieser ignorierten Realität ignorieren, und die heißen nun mal höhere Schulden und damit noch weniger Geld aufgrund längerfristig steigender Zinszahlungen.
Hier am Ratstisch höre ich leider nur sehr selten Beiträge, die dieser Erkenntnis Rechnung tragen würden. Im Gegenteil, es wird nach immer noch mehr Ausgaben gerufen und beim Bauen gibt es gar kein Halten mehr. Ginge es nach den Wünschen einiger Kolleginnen und Kollegen könnten wir die halbe Bauindustrie Baden-Württembergs nach Ulm bestellen.
Nur von der Fraktion der Grünen kam bereits während der Einbringung des Haushalts ein Signal des Umdenkens. Ausgerechnet von der Fraktion, der es beim Geldausgeben gar nicht schnell genug gehen kann!
Frau Schwelling, Ihr bereits vorgetragener und gleich wahrscheinlich erneut geäußerter Appell, man möge doch mehr sparen und konsolidieren fände ja unsere volle Zustimmung, wenn denn Ihren schönen Worten Taten gefolgt oder noch besser voraus gegangen wären. Doch in Wirklichkeit kommen Ihre Fraktionskollegen in den Ausschusssitzungen mit schöner Regelmäßigkeit mit der Frage „Darf’s ein bisschen mehr sein?“. Da wird dann gefragt, ob ein mit der Stadt ausgehandelter Zuschuss denn nicht zu niedrig sei und ob man da nicht „mehr Geld in die Hand nehmen müsse“. Insofern sind Aufforderung zum Sparen aus dem Munde Ihrer Fraktion mit Verlaub ziemlich verlogen.
Aber ich gestehe Ihnen zu, sie haben konkrete Vorschläge für eine Verbesserung der Haushaltsbilanz gemacht. Bei den Sonderfaktoren wollen Sie sparen, wobei die genannten Beispiele ja eher Kleckerles-Beträge sind und kaum zu einer nachhaltigen Entlastung des Haushaltes führen. Und dann kam natürlich das unvermeidliche: Wenn das Geld nicht ausreicht erschallt ganz schnell der Ruf nach höheren Steuern. Und natürlich dort, wo es nur die „Bösen“ trifft, also bei der Vergnügungssteuer. Ich könnte Ihnen da noch mehr Vorschläge machen, all das, was für die Grünen böse ist, zu besteuern: Wir wäre es mit einer extra PKW-Steuer in Ulm, oder vielleicht eine Heizpilz-Steuer?
Meine Damen und Herren, angesichts unseres Bedarfs an Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommensteuer sollte es uns vielmehr darum gehen, sicherzustellen, dass wir auch in Zukunft Unternehmen und damit Arbeitsplätze in Ulm Ihre Zukunft sichern und neue Investoren nach Ulm locken können. Daher wäre es viel eher angebracht, sogar einmal über eine weitere Absenkung des Hebesatzes auf die Gewerbesteuer nachzudenken. Die geplanten Änderungen bei der Erbschaftssteuer werden vielen familiengeführten Unternehmen Geld entziehen und damit Arbeitsplätze bedrohen. Wir sollten nicht vergessen, dass all unser Wohlstand und die ganzen schönen Finanzmittel, die wir hier so großzügig ausgeben, von den Unternehmen und ihren Beschäftigten erwirtschaftet werden.
Aber unabhängig von allen Steuerüberlegungen: Die einzige nachhaltige Maßnahme zur Erzielung eines ausgeglichenen Haushalts ist die Steigerung der Ausgaben auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Angesichts des durch den demografischen Wandel zu erwartenden Anstiegs bei den Transferleistungen gibt es für uns nur zwei Ausgabenposten, bei denen im nötigen Umfang ein weiterer Anstieg gebremst werden kann:
Erstens bei den Abschreibungen, indem weniger neue Baumaßnahmen durchgeführt werden und bei den notwendigen Bauvorhaben auf strengste Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit geachtet wird. Hier erhoffen wir uns auch von dem neuen Gestaltungsbeirat hilfreiche Hinweise, wie unsere Ansprüche an Ästhetik und Qualität auch ohne Mehrkosten erfüllt werden können.
Und zum Zweiten bei dem größten von uns steuerbaren Posten im Haushalt, bei den Personalkosten. Unsere Personalaufwendungen sind in den letzten 5 Jahren um fast 30 % gestiegen, das sind über 5% pro Jahr. Das kann so nicht weitergehen! Der Zuwachs liegt dabei zum größeren Teil nicht an den Tarifsteigerungen sondern an der steigenden Zahl Beschäftigten in der Verwaltung. Hier müssen wir die Bremse ziehen. Natürlich waren für den Ausbau der Kinderbetreuung und die Bewältigung der Flüchtlingsproblematik neue Stellen notwendig. Aber dann müssen wir uns auch über den Abbau von Stellen in anderen Bereichen unterhalten. Soviel zu den oft angemahnten Prioritäten!
Als Ergebnis aus dem gesagten folgt für meine Fraktion auch, dass wir einer ganzen Reihe von bereits angesprochenen Investitions-Vorhaben sehr kritisch gegenüber stehen. Dazu gehören Großinvestitionen im Sportbereich, für die gewaltige Zuschüsse der Stadt erwartet werden, sowie großzügige Erweiterungen und Neubauten im Museumsbereich. Wir haben dafür einfach das Geld nicht!
Wie hat es Manfred Rommel einmal ausgedrückt: „Finanzpolitik – das ist die Auseinandersetzung zwischen jenen Leuten, die eine Mark haben und zwei ausgeben wollen, und jenen anderen, die wissen, dass das nicht geht.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, Sie nehmen mir meine erneut mahnenden und vielleicht eher pessimistischen Worte nicht übel, aber ich sehe es nun mal als meine erste Pflicht als Stadtrat an, das Geld der Steuerzahler sorgsam zu verwenden und zukünftigen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt eigene Gestaltungsspielräume und nicht nur Schulden zu hinterlassen.
Herr Czisch, dies ist Ihr letzter Haushalt, den Sie als Finanzbürgermeister vorgelegt haben. Im Rahmen dessen, was Ihnen vom Gemeinderat vorgegeben wurde, haben Sie das bestmögliche gemacht und vor allem im Bereich der Finanzwirtschaft vorbildlich agiert und uns durch eine vorausschauende Finanzierungsplanung vor allzu großen Zinsbelastungen bewahrt. Daher werden wir diesem Haushaltsplan heute auch zustimmen.
Wir wünschen Ihnen und uns allen, dass Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger den gleichen Erfolg hat und auch bei voraussichtlich deutlich schlechteren Voraussetzungen den Haushalt der Stadt gut führen kann. Wir von der FDP-Fraktion sichern dazu unsere volle Unterstützung zu.
Abschließend bedanken wir uns bei Ihnen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die geleistete Arbeit, vor allem bei denjenigen, die weit mehr als das übliche leisten, um die große Aufgaben der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen zu stemmen. Ein besonderer Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gebäudemanagements, die von diesem Ratstisch aus mit immer mehr Arbeit zugedeckt werden. Wir wissen Ihre Arbeit zu schätzen!
Auch den werten Kolleginnen und Kollegen hier am Ratstisch gilt unser Dank für die Zusammenarbeit, verbunden mit der Hoffnung auf gute und vielleicht noch bessere Entscheidungen zum Wohle unserer Stadt.
Und – last but not least – geht unser ganz besonderer Dank an Sie Herr Gönner, der sie uns immer wieder bei allzu forschen Forderungen und Anträgen auf den Boden der Realität zurückgeholt haben. Denn Sie wissen aus Ihrer langen Amtszeit: Vom siebten Himmel bis zum Boden der Tatsachen geht es steil bergab!