Rede von Erik Wischmann anlässlich des Haushalts 2010

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Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion Erik Wischmann hielt am 16.12.2009 als Vertreter der Fraktion eine Rede, die aus Sicht der Liberalen grundsätzliche Fragestellungen der städtischen Haushaltsführung und Finanzplanung aufwarf.

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

nachdem hier schon vieles, auch viel Richtiges, zum Haushalt 2010 gesagt wurde, möchte ich im Namen der FDP-Fraktion doch noch einmal betonen, worum es eigentlich geht oder zumindest gehen müsste: um die dauerhafte Sicherung solider städtischer Finanzen.

Ich möchte dazu mit einem Zitat beginnen: „Es wird unausweichlich nötig sein, Ansprüche und Leistungen zu streichen, Ansprüche und Leistungen, die schon heute die Jüngeren über Gebühr belasten und unserem Land Zukunftschancen verbauen.“ und weiter:

„Wir haben die Pflicht, den nachfolgenden Generationen die Chancen auf ein gutes Leben in einer friedlichen und gerechten Welt nicht durch Unbeweglichkeit zu verbauen. Das ist der Grund dafür, dass wir den Mut zu Veränderungen brauchen.“

so Bundeskanzler Gerhard Schröder im Deutschen Bundestag am 14. März 2003 in seiner Rede zur Agenda 2010 . Recht hatte er. Und das, was er gesagt hat, gilt heute noch, auch in der Kommunalpolitik, auch hier in Ulm.

Wir machen im nächsten Jahr über 20 Mio. Euro neue Schulden, so dass wir dann wieder auf einem Schuldenberg von fast 150 Mio. Euro sitzen, für den wir alleine an Zinsen jeden Monat 450.000 Euro aufzuwenden haben. Und dieser Berg wird nach der Finanzplanung weiter wachsen auf bald wieder fast 200 Mio. Euro. Das sind dann deutlich mehr als eine 1/2 Mio. Euro Zinsen pro Monat.

Ich weigere mich zu akzeptieren, dass wir nur dann Schulden abbauen können, wenn wir unverhofften Geldregen empfangen, wie in den letzten Jahren durch die außergewöhnlich hohen Gewerbesteuernachzahlungen.

Das Motiv für die nächsten Jahre muss lauten: Sparen, oder besser: Abspecken. Genau darum geht es, durch – auch unbequeme – Maßnahmen, schlanker und damit auch wieder gesünder zu werden.

Wir müssen unsere Haushalte so auslegen, dass wir in schlechten Zeiten noch zurechtkommen, um in guten Zeiten erst einmal die Schulden herunterzufahren und dann irgendwann auch einmal echte Rücklagen bilden zu können. Dann erst kann man wirklich von „Sparen“ reden, nämlich etwas auf die hohe Kante zu legen.

Es gab in den letzen Wochen ja hier in Ulm manche Aussagen zur Entwicklung der Gewerbesteuer. Die FDP ist eindeutig für ihre Abschaffung. Eine Steuer, die in ihrer Entwicklung nicht seriös vorhersehbar ist, taugt nicht als Haupteinnahmequelle für die kommunalen Haushalte. Man spricht wegen der unklaren Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen ja gerne vom „Fahren auf Sicht“. Aber wenn man gar nichts mehr sieht, nenne ich das „Blindflug“.

Um es ganz klar zu sagen, die FDP will den Kommunen nichts wegnehmen, sondern nur für sinnvollere Steuern sorgen, die mehr Planungssicherheit geben. So zum Beispiel eine stärkere Beteiligung an der Einkommensteuer oder der Mehrwertsteuer. Warum Sie, Herr Oberbürgermeister Gönner und Sie, Herr Finanzbürgermeister Czisch, unbeirrbar an der 1936 eingeführten, im Ausland praktisch unbekannten Gewerbesteuer festhalten, ist uns unverständlich.

Ein oft gehörter Kritikpunkt betrifft die angeblich unverantwortlichen Steuersenkungen, für die sich besonders die FDP einsetzt. Alle schimpfen auf die Beschlüsse in Bund und Land, die von den Kommunen zu tragen sind. Aber nur so kann Sparen funktionieren. Gesetze werden nun mal nicht bei den Kommunen gemacht. Wer glaubt denn, wir würden freiwillig mit weniger Geld auskommen?

Dem Steuerzahler ist es doch ganz egal, wie die Finanzflüsse sind und wer über welchen Topf bestimmt. Letztlich wollen die Menschen wissen, wie viel zahlen wir, und was bekommen wir dafür. Dies schließt ausdrücklich eine Umverteilung von den Stärkeren zu den Schwächeren mit ein, denn das ist in einer sozialen Gesellschaft unverzichtbar. Nur müssen die Rahmenbedingungen so sein, dass das Geld, das verteilt werden soll, überhaupt erst einmal erwirtschaftet werden kann.

Natürlich könnte man einfach Einkommen über 1 Mio. Euro mit 90% besteuern. Nur leider brächte das maximal ein Jahr lang höhere Einnahmen, dann gäbe es keine Einkommensmillionäre mehr, denn die würden einfach das Land verlassen. Auch sind Aussagen, man könnte doch die „Starken“ etwas stärker beteiligen unredlich, denn es gibt ja immer weniger, die immer stärker belastet werden. Man trifft nämlich in schöner Regelmäßigkeit nicht „ein paar wenige Reiche, denen es nicht wehtut“, sondern das Gros der arbeitenden Bevölkerung, die sich etwas Wohlstand erarbeiten wollen. Und das sollten wir fördern und nicht durch immer höhere Abgaben noch bestrafen.

Es ist eben so: Teil 1 der Formel für eine Gesundung der Staatsfinanzen ist eine Stärkung der Wirtschaft durch Steuersenkungen, Teil 2 ist die Reduzierung der Staatsausgaben. Auch wenn das für uns Kommunalpolitiker unvorteilhaft ist: den werbewirksamen Teil 1 übernimmt vor allem der Bund, den unattraktiven zweiten Part tragen zumeist die Länder und Kommunen. Wir müssen daher endlich weg von einer Kommunalpolitik, die sich als Verteiler von möglichst viel Geld an möglichst viele Wähler versteht, hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Steuergeldern. Wir sollten uns nicht daran messen lassen, wie viel wir für einzelne Bereiche ausgegeben haben und wie toll wir uns gegen Kürzungen gewehrt haben, sondern vielmehr daran, wie wir möglichst sparsam die Rahmenbedingungen für eine attraktive, lebenswerte, wirtschaftlich starke und soziale Gemeinschaft in unserer Stadt setzen.

Nicht das Gestalten mit dem Füllhorn sondern das Gestalten mit Ideen und Konzepten ist gefordert. Der Filmproduzent Arthur Brauner hat es so formuliert: „Sparsamkeit ist die Fähigkeit, Geld so auszugeben, dass es einem keine Freude bereitet.“

Herr Joukov: Sie haben bei der Festlegung der Eckwerte für den Haushalt 2010 gefordert, man solle die Ulmer Bürgerschaft im Rahmen einer Aufgabenkritik einbeziehen. Da frage ich mich doch, wofür Sie eigentlich meinen hier gewählt worden zu sein. Wir, die 40 Stadträte sind es, die für die Bürgerinnen und Bürger stellvertretend hier zu entscheiden haben.

Was die Fraktion der Grünen jedoch in all Ihren Abstimmungen gezeigt hat, ist nichts anderes als ein simples Ablehnen jeglicher Einsparung ohne einen einzigen konstruktiven Gegenvorschlag (bis auf simple Forderungen nach Einnahmenerhöhung, so z.B. durch einen höheren Hebesatz auf die Gewerbesteuer). Mit solchen Vorschlägen ist wirklich kein Staat zu machen, und auch keine verantwortungsvolle Kommunalpolitik.

Es wird oft von „Prioritäten“ gesprochen. Nur leider haben dann ganz schnell alle möglichen Dinge „höchste Priorität“. Das ist ein Widerspruch in sich. Nein, wir müssen eine Reihung vornehmen. Da steht dann genau eine Sache an erster Stelle und anderes findet sich weiter hinten. Und dann müssen wir unsere knappen Mittel entsprechend verteilen. Wenn die Ulmer Bürgerinnen und Bürger eine Multifunktionshalle für ganz wichtig halten – bitteschön, dann wandert das eben auf unserer Liste nach oben. Aber dann muss anderes dafür zurückstehen. Wenn im Bereich Bildung und Soziales die Kinderbetreuung ausgebaut werden soll – bitteschön, aber dann müssen andere Leistungen entsprechend eingeschränkt werden.

Man kann nämlich durchaus sehr viele Ausgaben reduzieren, doch das muss dann auch ehrlich ausgesprochen werden. Ich will das tun:

• Wir geben – auch im nationalen Vergleich – sehr viel Geld für den Sport aus.

• Wir leisten uns viele Kultureinrichtungen und -projekte, die andere, vergleichbare Städte nicht in dieser Vielfalt und Größe haben.

• Wir betreiben eine sehr ehrgeizige und somit auch kostspielige Stadtentwicklungspolitik.

• Es gibt unzählige Programme und Projekte für die Betreuung von Jugendlichen und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

• Die Stadt Ulm hat – wie es der Oberbürgermeister immer so nett formuliert – „viele starke Töchter“. Leider sind eine ganze Reihe dieser Töchter auf ein nicht unerhebliches Taschengeld – sprich Zuschüsse – angewiesen; oder die von den Bürgerinnen und Bürgern gezahlten Gebühren entsprechen nicht dem, was sich bei einem freien Wettbewerb privater Anbieter ergeben würde. Was z.B. der Gas- oder Strompreis mit der Förderung des ÖPNV zu tun hat, erschließt sich mir nicht.

Nach Meinung der FDP-Fraktion sollte vorne auf unserer Prioritätenliste stehen, was zukunftsorientiert ist. Daher stehen wir zu den Beschlüssen zur Bildungsoffensive, zur Multifunktionshalle und begrüßen die Pläne für die weitere Stadtentwicklung. Gerade die jetzt – hoffentlich endgültig – beschlossene Realisierung von Stuttgart 21 und der Schnellbahnstrecke bringt enorme Chancen für die Entwicklung Ulms, für die wir bereits heute die Weichen stellen müssen.

Das bedeutet aber eben auch, dass man auf manch Liebgewordenes dafür verzichten muss. Nur warne ich davor, alle Lasten einseitig z.B. im Kulturbereich zu verankern. Denn dann haben wir zwar tolle Bauten aber eine große geistige Leere. Und dann hätten wir unsere Zukunft wirklich verspielt.

Der Haushalt 2010 ist quasi eine Generalprobe fürs Sparen in den nächsten Jahren und sie ist uns noch nicht besonders gut gelungen. Man scheute harte Einschnitte und verschob unpopuläre Entscheidungen lieber ins nächste Jahr. Offenbar hoffen hier viele auf ein Wunder.

Ich schaue lieber den Realitäten ins Auge und stelle fest: Wir alle – d.h. Bund, Land, Kommunen, haben über unsere Verhältnisse gelebt. Die Schlussfolgerung: Es muss wieder alles etwas bescheidener sein. Konkret heißt Einsparung für die Bürgerinnen und Bürger, dass:

• es manche liebgewordene Leistung der Stadt in Zukunft nicht mehr oder nur noch in reduzierter Form geben wird

• es in manchen Bereichen unbequemer wird

• mehr Eigeninitiative und mehr eigene Beteiligung gefordert wird

Dabei sollte unser Leitgedanke sein, die zu schonen, die sich nicht selber helfen können, aber alle heranzuziehen, die sehr wohl ihren eigenen Beitrag leisten können. Klar muss aber auch sein, dass solche Reduzierungen nicht ohne Auswirkungen auf den Stellenplan bleiben können.

Jeder ist im eigenen privaten Umfeld für das Gemeinwohl mit verantwortlich, es kann nicht immer nur nach dem Staat gerufen werden. Gerade die Ansätze für eine stärkere Fokussierung auf die Sozialräume, die wir sehr begrüßen, bieten hier viele Möglichkeiten. Gegenseitige Hilfe und Unterstützung, so z.B. durch Eltern, Großeltern und Verwandte bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen oder bei den Hausaufgaben treten dabei nicht in Konkurrenz zu den Angeboten der Stadt sondern sollten diese ergänzen. Auch Mehrgenerationenhäuser sind ein gutes Beispiel für Möglichkeiten der unmittelbaren Nachbarschaftshilfe. Das dafür notwendige bürgerschaftliche Engagement muss dann aber auch wieder stärker gewürdigt werden.

Mein Fazit: Wir, Gemeinderat wie jeder Mensch in Ulm, brauchen mehr Mut für die notwendigen, auch unbequemen Veränderungen. Um es mit dem griechischen Philosophen Demokrit zu sagen: „Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“

FDP-Fraktion im Ulmer Gemeinderat

Erik Wischmann, stv. Vorsitzender

16.12.2009