Haushaltsrede 2011 des Vorsitzenden der FDP-Fraktion Dr. Bruno Waidmann

Rede des Vorsitzenden der FDP-Fraktion Dr. Bruno Waidmann im Ulmer Gemeinderat anlässlich der  Verabschiedung des Haushaltsplanes der Stadt Ulm für das Jahr 2011 gehalten am 15. Dezember 2010

In der letzten Samstagsausgabe der SWP stand auf der ersten Seite: „Ulm die Nummer eins im Land“. Nicht Stuttgart oder Freiburg habenunter den baden-württembergischen Städten die Nase vorn. Der heimliche Champion ist Ulm. Auf der Seite 17 gibt es dazu weitere Ausführungen.Das Städteranking das die „ Wirtschaftswoche“ und die „Initiative neue Soziale Marktwirtschaft“ des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall aufgestellt hat und das bundesweit nur noch Erlangen und Ingolstadt vor Ulm platziert, ist sicher noch diskussionswürdig, weil dabei Kriterien wie niedrige Gewerbesteuer,wenige Arbeitslose, immer mehr Hochqualifizierte und eine rückläufige Zahl von Straftaten wichtig sind. So gesehen haben die Ulmer in den letzten Jahren sehr Vieles richtig gemacht. Sie sollten sich aber auf vermeintlichen Lorbeeren nicht ausruhen.

Schlägt man in derselben Ausgabe der SWP die Seite 19 auf, wird man mit der Schlagzeile „ Dramatische Situation“ konfrontiert, die bedeutet, dass das Uniklinikum trotz eines hervorragenden Rufes im Bereich der Onkologie mit drei Anträgen durchgefallen ist und folglich kein Standort für Gesundheitsforschung sein wird und es in Zukunft noch schwerer sein wird, hervorragende Wissenschaftler zu gewinnen oder zu halten, d.h. auch wenn man sehr gut ist, braucht man häufig auch Glück, um erfolgreich zu sein.

Was hat das mit der Verabschiedung unseres Haushalts zu tun, wird sich mancher fragen, wir stehen doch glänzend da im Vergleich mit anderen Städten unserer Größe. Das stimmt zwar, dennoch müssen wir uns jeden Tag darüber Gedanken machen, wie wir unseren relativen Wohlstand in Ulm sichern oder gar mehren können.

Dabei hilft uns ein Blick in die jüngere Ulmer Geschichte. Ulm war bis in die 70er Jahre ein Industriestandort mit vielen Arbeitsplätzen in der Metall- und Elektroindustrie, dem verarbeitenden Gewerbe und im Fahrzeugbau. Firmen wie AEG-Telefunken, Videocolor, Iveco-Magirus, Kässbohrer usw. , sind entweder ganz vom Markt verschwunden oder haben sehr viele Stellen abgebaut. Neue Arbeitsplätze wie z.B. in der Pharmaindustrie konnten diesen Verlust nicht ausgleichen. Es war deswegen ein unglaublicher Glücksfall, dass Ulm 1967 Universitäts- und 1986  Wissenschaftsstadt wurde.

Nach langen und hartnäckigen Verhandlungen konnten damals die Bürgerinitiative „Arbeitskreis Universität Ulm“, mit OB Lorenser, und dem Ulmer Gemeinderat dem Landtag gegen den erklärten Widerstand von MP Kiesinger die Universitätsgründung abtrotzen. Dass danach 1986  die Wissenschaftsstadt entstehen konnte verdanken wir dem unermüdlichen Einsatz von OB Ludwig, dem Gemeinderat und dem weitsichtigen Entgegenkommen von MP Späth.

Die einzigen, die damals die Wissenschaftsstadt ablehnten,  waren die „Grünen“. Die Neinsager-Partei bleibt sich treu. Die „Grünen“  starteten in der Gemeinderatssitzung am 1.10. 1986 einen Generalangriff gegen die Wissenschaftsstadt. Deren Sprecherin Oesterle-Schwerin sprach von Gefährdung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung, Rüstungsforschung im geplanten Daimler-Benz-Forschungszentrum, ökologischer Sackgassenforschung als Beitrag zum Waldsterben und Vergiftung von Luft, Wasser und Boden, dem Profit der Großaktionäre der Daimler-Benz-Konzerns, der der Deutschen Bank und des Emirs von Kuweit.Sie schloss mit den Worten: „Die Stadt täte gut dran, sich von diesem Projekt zu distanzieren und keine müde Mark hinein zu stecken.“ Der Redebeitrag führte danach zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch mit dem damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Kirchner.

Dass die Wissenschaftsstadt so ein Erfolg wurde, verdanken wir auch der Weitsicht und dem ständigen Einsatz unseres Oberbürgermeisters Ivo Gönner, dem Gemeinderat, der Verwaltung, den fleißigen Bürgern, dem Land Baden- Württemberg und all den mutigen und teilweise jungen Unternehmern, die oft auch mit Unterstützung unserer Projekt-entwicklungsgesellschaft gerade auch im Science Park viele neue und hochwertige Arbeitsplätze geschaffen haben.

Unsere Aufgabe ist es, jeden Tag darüber nachzudenken, welche Entscheidungen und Beschlüsse notwendig sind um unsere Stadt zukunftsfähig zu machen: Arbeitsplätze schaffen durch ein freundliches Investitionsklima und niedrige Gewerbesteuern, familienfreundliche Kinderbetreuung. Dafür sind im Haushalt nach 17 Mio. € in 2010 im nächsten Jahr 19 Mio. € vorgesehen, für Bildung und Soziales stehen 115,9 Mio. € zur Verfügung, die Sozial- und Jugendhilfe steigt von 31 Mio. €  im Jahr 2000 auf 47 2011, für Kultur geben wir 26,2 Mio. € aus. Die Gesamtinvestitionen fallen zwar von 73 Mio. €  im Jahr 2010 auf 64 Mio. € in 2011, liegen dabei aber immer noch ca. 10 Mio. höher als in den Jahren 2000-2006. Für Stadtentwicklung, Bau und Umwelt sind 41,5 Mio. vorgesehen bei einem Gesamtvolumen von 336 Mio.

Unsere Stadt wächst hauptsächlich durch Zuzug und dieser wird durch ent­sprechende Rahmenbedingungen begünstigt: Wie gesagt, ein günstiges In­vestitionsklima, möglichst gute Kinderbetreuung, ein breites Schulangebot, bezahlbaren Wohnraum, niedrige Grundstückspreise usw. Auch ein vielfältiges Kulturangebot macht eine Stadt attraktiv. Bei der Gelegenheit fällt mir wieder die Bundesfestung ein, die es verdient hätte, Weltkulturerbe zu werden.

Ein weiterer Standortvorteil ist eine gute Verkehrsanbindung an Fernstraßen, Schiene und Luftverkehr. Das heißt konkret, dass der weitere Ausbau der A 8 und der Schnellbahnstrecke Wendlingen-Ulm für unverzichtbar ist. Wer glaubt, dass dieses Vorhaben von dem Projekt Stuttgart 21 getrennt werden kann, ist entweder naiv oder er sagt bewusst die Unwahrheit. Wer dieses Jahrhundertprojekt ablehnt, handelt verantwortungslos und setzt die Zukunft Ulms und der ganzen Region aufs Spiel.

Zurück zu unserem aktuellen Haushaltsplan, der das erste Mal nach den Vorgaben des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen aufgestellt wurde und einen Verlust von 9,6 Mio. ausweist und damit einen Vermögensverzehr.

Nach alter Berechnung wäre zwar die Mindestzuführungsrate erreicht und der Haushalt genehmigungsfähig gewesen, aber ein neuer Schuldenhöchst­stand von 159 Mio. €, nach 117 Mio. € in 2008 bedeutet, dass wir unsere Hausaufgaben noch nicht gemacht haben. Auf der Ausgabenseite zu kürzen ist schwierig, es ist also die Frage, was auf der Einnahmeseite möglich ist. Veräußerung von städtischem Besitz wohl eher nicht, das heißt dann wohl höhere und vor allem verlässlichere Steuereinnahmen und damit der Ersatz der unsicheren Gewerbesteuer durch eine Kommunalsteuer, wie sie von der Wirtschaft und der Bundespolitik vorgeschlagen wird und die den Kommunen eine verlässliche Einnahmequelle bescheren soll.

Die kommunale Beteiligung an Einkommen- und Körperschaftssteuer mit eigenem Hebesatzrecht sichert den Gemeinden eine wirtschaftskraftbezogene Steuer. Langfristig wird die kommunale Selbstverwaltung gestärkt werden­ auch was die Verwendung der Steuern angeht. Durch ein starkes Band zwischen den Bürgern und den lokalen Unternehmern hätten die Kommunen auch einen Anreiz, effizienter mit Steuergeldern umzugehen.

Ziel der Neuordnung der Gemeindefinanzen soll nicht sein, die Unternehmenssteuerbelastung zu senken und den Gemeinden Finanzmittel vorzuenthalten, die sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben benötigen. Die Gewerbesteuer soll unter anderem durch eine Erhöhung der Körperschaftssteuer ersetzt werden, sodass die Belastung der Unternehmen auf dem heutigen Niveau bleibt.

Die Neuordnung der Gemeindefinanzen darf in Zukunft nicht mehr dazu führen, dass den Kommunen vom Land oder dem Bund zusätzliche Verpflichtungen zugemutet werden, ohne dass die dafür notwendigen Gelder zur Verfügung gestellt werden.

Zum Schluss kann ich feststellen, dass der Gemeinderat auch dieses Jahr wieder einen Haushalt verabschiedet, der solide finanziert und tragfähig ist. Dafür möchte ich allen Beteiligten noch einmal herzlich danken: Ihnen Herr Oberbürgermeister Gönner, unserer Bürgermeisterin Frau Mayer­-Dölle und unseren Bürgermeistern, den Herren Czisch und Wetzig sowie allen Damen und Herren der Ulmer Stadtverwaltung danke ich auch im Namen meiner Fraktion für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich wünsche Ihnen und allen Mitgliedern des Gemeinderats geruhsame Feiertage und im neuen Jahr Gesundheit, Glück und Erfolg.