Rede zum Haushalt 2023 von Ralf Milde

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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Frau Mann, sehr geehrter Herr Bendel, sehr geehrter Herr von Winning, sehr geehrt Spitzenkräfte der Verwaltung und der städtischen Gesellschaften, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger, soweit welche anwesend sind und wertgeschätzte Presse.

Ich wusste doch, dass auf den Kollegen Eichhorn Verlass ist. Seinen uneitlen und pragmatischen Ausführungen zum Haushalt kann ich im Großen und Ganzen nur beipflichten und damit erspart er mir die Wiederholung des Ganzen, und ich muss Ihnen nicht die Zeit stehlen, und wir kommen schneller an das Weihnachtsbuffet!

Mit einem kleinen Redebeitrag will ich dann doch – in gewohnter Kürze – anlässlich diesem „Haushaltsredenhaltenritual“ beitragen, auch auf die Gefahr hin, nachher beim Essen wie schon 2018 allein am Tisch zu sitzen.

Ich weiß nicht, was stressiger ist, das Erfinden und Formulieren von Verwaltungsvorlagen die hier in diesem Haushalt 2023 gebündelt vorliegen oder das Erfinden und Formulieren von Haushaltsabschlussreden zur Verabschiedung des selbigen?! Mich stresst dieses Verfassen einer Haushaltsrede schon Wochen vorher und verfolgt mich bis in meine Träume. Ja, bis in meine Träume!

Ganz im Ernst!

Es gibt einen wenig respektvollen Umgang mit der Arbeit der städtischen Verwaltung

Da träume ich doch vor ein paar Nächten, dass wir hier alle zur Verabschiedung des Haushalts 2023 versammelt am Ratstisch sitzen. Und als der Oberbürgermeister dann am Ende der zahlreichen und nicht enden wollenden Redebeiträgen der Fraktionsvorsitzenden den Haushalt zur Abstimmung stellt, ist plötzlich niemand von uns dafür, aber alle dagegen!

Und warum! Einfach so! Als Demonstration unserer Macht und Bedeutung als Ratsmitglieder!

Schuld an dieser unsinnigen Träumerei ist der Kollege Ansbacher, der sich in der zweitägigen Haushaltsdebatte gegen die Protest und Ablehnung seines Versuchs noch eine Haushaltsextrawurst zu braten – da war er übrigens nicht der einzige – der sich also mit dem Satz empörte, dass sei schließlich „Königsrecht“ des Gemeinderats! O-Ton.

Mit diesem Bundeskanzler kann man als Sozialdemokrat auch schon mal von der Monarchie träumen. 40 Königinnen und Könige an diesem runden Ratstisch! Das stelle man sich mal bildlich vor.

Aber mal im Ernst!

Gemeinderätliche Macht und Bedeutung leben wir doch das ganze Jahr schon aus! Mit jeder Diskussion und Abstimmung der von der Verwaltung erarbeiteten Verwaltungsvorlagen in den Fachbereichen und in den Vollversammlungen.

Das ist schon ein sehr privilegiertes Unterfangen.

Während die Bürgerinnen und Bürger die Steuern erarbeiten, während die Unternehmen der Stadt die Gewerbesteuern erwirtschaften, während die Verwaltung Vorschläge erarbeitet, wie all diese Millionen in Reparaturen und andere sinnvolle Projekte gesteckt werden, sind wir es, die Stadträte und -rätinnen, die durch das Heben der Hand, die Umsetzung all dieser Vorhaben, die in diesem Haushalt gebündelt sind, legitimieren und zur Realisierung
freigeben.

Das ist doch ganz schön viel Macht und Bedeutung.

Warum dann nur um Gottes Willen kurz vor Haushaltsplanungsschluss noch mal eben ein paar Millionen Euro in den Ring werfen, um den Ausbau der Photovoltaik auf städtischen Dächern zu beschleunigen. Auch so ein Schaulaufen mit großer theatralischer Geste zum Beweis von Macht und Bedeutung kurz vor Haushalts-Ladenschluss.

Ich muss zugeben, dass mich das schon ziemlich aufregt. Weil es einen wenig respektvollen Umgang mit der hochkomplexen und aufwandsintensiven Arbeit der städtischen Verwaltung offenbart. Von uns hier am Tisch mal ganz zu schweigen.

Alles zur Demonstration von Macht und Bedeutung!

Keine Garantie, dass all die Aufgaben überhaupt umgesetzt werden können

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen – natürlich nur die die sich angesprochen fühlen – dass wir das gar nicht nötig haben.

Wir üben ja das Königs- und Königinnenrecht in jeder Sitzung das ganze Jahr aus. Ganz ohne Krone!

Wir haben 12 Monate hinter uns, und ich kann für mich und meine Fraktion sagen, dass die Arbeit in den Fachbereichen mit den Bürgermeistern und der Bürgermeisterin und den Mitgliedern der Verwaltung nicht nur konstruktiv, sondern auch zu jedem Zeitpunkt von großer Wertschätzung getragen war.

Die wird vom Ratstisch nicht immer erwidert. Da werden den Verantwortlichen von Verwaltungsvorlagen schon mal besserwisserisch kompletter Murks bescheinigt.

Wir leben in sehr unsicheren Zeiten. Wir können heute keine Garantie darauf geben, ob all diese im Haushalt festgelegten Aufgaben überhaupt so wie gewünscht und beschlossen umgesetzt werden können. Und das Umsetzen ist nicht die Aufgabe des Gemeinderats – Gott sei Dank. Umsetzen müssen es die Verwaltung und die Hundertschaften der städtischen Mitarbeiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber wir werden bei der Umsetzung des Haushalts 2023 druckvolle und belastende Zeiten erleben, sei es:

  • bei der Umsetzung der Brückensanierungen
  • beim dringenden nicht nur bezahlbaren Wohnungsbau
  • bei der Mobilitätswende
  • beim weiteren Ausbau der Kinderbetreuung
  • bei der sozialen Abfederung der gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten
  • bei weiter stark steigende Personalausgaben durch hohe Tarifabschlüsse, auch bei den Zuschussempfängern
  • bei der Vorbereitung des ab 2026 geltende Rechtsanspruch für Ganztagesbetreuung an den Grundschulen
  • Schaffung von Wohnraum für die wachsende Bevölkerung, auch aufgrund von Migration und Flucht
  • bei den dramatischen Transformationen nicht nur im Theater, sondern auch in den anderen Kultureinrichtungen

Und gleichzeitig sind wir aufgefordert in den nächsten 12 Monaten das strategische und inhaltliche Gerüst für den Haushalt 2024 zu bauen. Da sind die Themenübergänge fließend.

In unberechenbaren Zeiten warten große Herausforderungen

Meiner Fraktion waren bisher und sind auch weiterhin die folgenden Themen besonders wichtig:

  1. Klares Setzen von Prioritäten und „Abschneiden alter Zöpfe“, d.h. in der Konsequenz weniger wichtige „Luxus-Ausgaben“ einzustellen.
  2. Fit machen der Stadt für die immer stärker werdenden Auswirkungen des demographischen Wandels.
  3. Zurückschrauben des Anspruchsdenkens. Nicht alles kann und muss von der Stadt geleistet werden.
  4. Effizienzkur für die Verwaltung durch Entlastung von unnötigen und zeitfressenden Aufgaben (wie z.B. übertrieben detaillierte Berichterstattung an den Gemeinderat)
  5. Sicherstellen, dass die notwendigen Rahmenbedingungen für eine weitere wirtschaftliche Prosperität in Ulm und Umgebung gegeben sind, denn alles Geld, was verteilt werden soll, muss erst einmal erwirtschaftet werden.

Ja ich weiß wir haben trotz Pandemie und Krieg und Krisen stetig wachsende Steuereinnahmen. Gott sei Dank! Aber die durch Pandemie und Krieg und Krisen stetig wachsenden Herausforderungen und Kostensteigerung zehren ja alles schon wieder auf und zwingen uns dennoch in die Schulden!

Das kommende Jahr wird wie das vergangene geprägt sein von der Gleichzeitigkeit des „Jetzt-Tuns“ – also den Haushalt 2023 in den kommenden 12 Monaten umzusetzen und zugleich vom das Morgen-Denken, um im nächsten Dezember einen dem Wohle und dem Wachstum der Stadt gerecht werdenden Haushalt 2024 zu verabschieden.

Das wird für uns alle in diesen unberechenbaren Zeiten eine große Herausforderung sein.

Für die Verwaltung und die Städtischen Gesellschaften und alle städtischen Mitarbeiter als die Entwerfer, Konzipierer und Umsetzer all dessen.

Und für uns hier am Ratstisch – die wir mit dem „Königsrecht“ ausgestattet sind als die Entscheider und Legitimierer.

Täusche ich mich oder empfinden das einige andere an diesem Tisch und hier im Saale auch so: Früher war weniger Blockbildung und parteiideologisches Denken und somit Abstimmen an diesem Tisch.

Früher war mehr Konsensbereitschaft bei den Debatten und Entscheidungen.

Das ideologiebesetzte Königsrecht führt zu Pattsituationen

Ich will das Königs- bzw. Königinnenrecht des Einzelnen hier nicht in Frage stellen. Aber wir werden nicht vorankommen und viel Zeit verlieren, wenn wir uns häufiger Abstimmungen leisten wie gestern im Bauausschuss zu Eschwiesen III.

Das beharrliche Bestehen auf das ideologiebesetzte Königsrecht führt schnell zur Pattsituation am Ratstisch und damit zur Lähmung dringend notwendiger Entwicklungen.

Dann müssen wir wie schon beim Herrmannsgarten zeitverlustige Extrarunden drehen, die die Verwaltungskräfte binden, anstatt sie für anderes freizusetzen.

Bleibt mir zum Schluss noch dies:

  1. Die FDP-Fraktion stimmt dem HH 2023 uneingeschränkt zu.
  2. Die FDP-Fraktion dankt den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen und dem Handwerk und dem Handel, die ihren erneut gewachsenen steuerlichen Beitrag dazu geleistet haben. Und wir ermutigen sie damit auch im nächsten Jahr fortzufahren.
  3. Die FDP-Fraktion dankt den Mitarbeitern der Verwaltung und der Städtischen Betriebe für ihre aufopferungsvolle Arbeit im vergangenen Jahr und hoffentlich auch im nächsten!
  4. Die FDP-Fraktion dankt der Bürgermeisterin, den Bürgermeistern und dem Oberbürgermeister für die Geduld mit der Sie uns und unsere gemeinderätlichen
    Unberechenbarkeiten ertragen haben.
  5. Und wir danken den Kolleginnen und Kollegen hier am Ratstisch für die zwar nicht immer auf Konsens ausgelegte aber immer respektvolle Zusammenarbeit in den vergangenen Monaten.
  6. Und wir danken der Presse, dass Sie immer so liebenswürdig über uns geschrieben hat!
  7. Und last but not least wünschen wir uns allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein Neues Jahr in das hoffentlich der Weltfrieden Einzug hält.