Alternative Rede von Erik Wischmann zur Verabschiedung des Haushalts 2018 (nicht gehalten)

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Die folgende Rede war der Alternativentwurf für die Rede von Erik Wischmann zur Verabschiedung des Haushaltes 2018 am 13.12.2017:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Herren Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Rahmen der abschließenden Haushaltsberatungen hat die große Mehrheit des Fachbereichsausschusses Bildung und Soziales auf Antrag der Grünen beschlossen, für die eigentlich gemäß Investitionsstrategie erst später vorgesehene Sanierung einer Schulsporthalle bereits im nächsten Jahr eine Planungsrate von 100.000 € in den Haushalt aufzunehmen. Auf meinen Hinweis, dass es ja wenig sinnvoll sei, die Ausführung der Planung dann nicht auch entsprechend vorzuziehen, was eine Verschiebung von mehreren Millionen Euro Investitionssumme bedeutet, haben Sie, Herr Oberbürgermeister geantwortet: „Das ist politisch, das muss nicht immer sinnvoll sein!“

Was für eine niederschmetternde Erkenntnis. Leider gilt das für eine ganze Reihe von Beschlüssen, vor allem im Hinblick auf die Finanzen der Stadt Ulm. Offenbar fällt es immer noch vielen schwer, die Unterschiede zwischen Finanzhaushalt und Ergebnishaushalt und die Auswirkungen von langfristigen Verpflichtungen und Investitionen im Unterschied zu einmaligen Ausgaben ohne Folgekosten richtig zu erkennen. Wenn man dann in der Diskussion am Ratstisch auf den Hinweis, dass es bei den Finanzen um etwas Wichtiges geht, von einem Ratsmitglied als Antwort bekommt, so habe man keine Lust zu diskutieren, möchte man glatt verzweifeln. Und als Krönung lesen wir dann im November-Rundbrief der Fraktion, die sich vor Anträgen auf Mehrausgaben gar nicht mehr einkriegen kann: „Die eher undankbare Aufgabe, bei den Plänen Maß zu halten, fiel auch dieses Jahr den GRÜNEN zu.“ Soll man da lachen oder weinen?

Auch heute haben wir und werden wir noch die größten Lobreden hören, was das für ein toller Haushalt ist, wie gut es der Stadt geht und was wir noch alles an Wohltaten für die Bürgerinnen und Bürger in petto haben.

In der Tat, die Zahlen sind beeindruckend. Rekordeinnahmen bei Gewerbesteuer und Einkommensteuer, und trotz riesiger Ausgaben und Investitionen ein ausgeglichener Haushalt. Also alles Bestens, auf zur Weihnachtsfeier und mit Champagner auf das neue Jahr anstoßen?

Ich mahne da – wie schon in den letzten Jahren – zur Vorsicht, auch wenn der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland kein Ende zu haben scheint und Deutschland von allen internationalen Wirrungen und Krisen bislang weitgehend unberührt zu sein scheint. Denn der bisherige Erfolg trübt leicht den Blick für Risiken und Entwicklungen, die mittelfristig nicht spurlos an uns vorbeigehen werden. Was passiert denn zum Beispiel, wenn der Verbrennungsmotor in wenigen Jahren wirklich ins Museum geschickt wird? Wissen hier eigentlich alle, wie viele Arbeitsplätze hier im Südwesten dann gefährdet sind? Bei der Energiewende erleben wir es ja gerade, was das für betroffene Unternehmen bedeutet.

Und dass ich hier keine Schwarzmalerei betreibe, sondern diese Risiken durchaus Relevanz haben, kann man an einigen Beispielen von Städten sehen, die ganz unerwartet in diesem Jahr Ihre Finanzplanung nach unten revidieren mussten. So hatte Darmstadt zum Beispiel einen Ausfall bei der Gewerbesteuer gegenüber der Vorjahresschätzung von 50 Mio. € zu verkraften.

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Neckarsulm. Noch im Januar wurde für 2017 mit Gewerbesteuereinahmen von über 60 Mio. Euro gerechnet. Im Mai dann die Alarmmeldung: Es werden weniger als 30 Mio. sein. Und im Oktober dann die neue Hochrechnung: nur etwas über 20 Mio. So schnell kann sich das Blatt wenden.

Auch viele andere Städte in Deutschland wurden von plötzlich massiv zurückgehenden Gewerbesteuerzahlungen kalt erwischt. Ganz so sicher, wie man annimmt, sind Steuerschätzungen dann doch nicht, vor allem kann die bundesweite Schätzung nicht einfach auf die lokale Situation übertragen werden.

Ulm hat zum Glück eine recht stark diversifizierte Wirtschaftsstruktur, so dass Einbrüche in einem Sektor sich nicht so gravierend auswirken. Aber auch bei uns dürfte ein Großteil der Gewerbesteuer von einer recht kleinen Zahl an Unternehmen erbracht werden. Und von Einschlägen bei den Betrieben sind wir in den letzten Wochen ja nicht verschont geblieben. Wir erleben, dass Unternehmen, die zu größeren Konzernen gehören, innerhalb kurzer Zeit ihren Standort verlagern oder Personal und somit auch Wertschöpfung abziehen.

Auch auf einen anderen Aspekt möchte ich hinweisen. So sehr wir uns über Gewerbesteuerzahlungen freuen, die unsere Schätzungen noch übertreffen – dies kann auch ein Hinweis auf zurückgestellte Investitionen sein. Wenn diese dann erfolgen und durch die Abschreibungen die Unternehmensgewinne senken, wird das einen erheblichen Einfluss auf die Gewerbesteuer haben. So hat zum Beispiel Dessau trotz guter Wirtschaftsdaten einen Gewerbesteuereinbruch erlebt, der auf genau solche Investitionseffekte zurückgeführt wird. Und die Liste von Städten mit unerwartetem Rückgang der Gewerbesteuer ist lang und zieht sich über das ganze Land und enthält kleine und große Städte: Wasserburg am Inn, Dülmen, Immenstaad, Passau, Offenbach, Frankfurt am Main, Konstanz, …

Ja, es sind oft lokale Besonderheiten, die für den Einbruch verantwortlich sind. Aber wollen wir wirklich darauf wetten, dass Ulm von unerwarteten Rückschlägen verschont bleibt?

Wo ist das Problem, möchten manche fragen. Wir haben doch einen noch erträglichen Schuldenstand und können bei einem Rückgang der Einnahmen den Haushalt konsolidieren und ein paar Millionen zusätzliche Schulden aufnehmen. Hatten wir doch alles schon, ist doch nichts Neues, tut ja nicht weh.

Wirklich? Tut nicht weh? Ich denke an die Beschwörungen vom Untergang des Abendlandes, wenn man diesen oder jenen Zuschuss reduziert oder gar ganz streicht. Jede unserer freiwilligen Leistungen gilt als unabdingbar, absolut notwendig und unverzichtbar.

Dabei machen die wirklich noch variablen Teile in unserem Haushalt, die wir – zwar unter allgemeinem Wehklagen und ätzender Kritik der Betroffenen und der Presse – zurückfahren können, einen immer kleineren Teil des Etats aus. Dauerhafte Kosten wie Personal und Abschreibungen können wir halt nicht mal eben so einfach reduzieren. Da müssten wir dann schon ganze Gebäude verkaufen, doch wer sollte eine Schule oder eine Brücke kaufen?

Deshalb wird die FDP-Fraktion weiter bestrebt sein, den Versuchungen zu widerstehen, allzu vollmundige Versprechen zu machen. Uns allen – auch den Ulmer Bürgerinnen und Bürgern – würde etwas mehr Bescheidenheit und Stolz und Dankbarkeit für das Erreichte guttun. Sonst kann man langsam nicht mehr erklären, warum wir bei bester Wirtschaftslage, Vollbeschäftigung in der Region (und zuletzt mit 3,4% fast auch schon in Ulm) und niedriger Inflation ein Gefühl der Unzulänglichkeit und ständiger Unzufriedenheit in Ulm verspüren.

Wer erwartet, dass die Stadt immer mehr leistet, den müssen wir leider enttäuschen. In einigen Bereichen müssen und werden wir noch mehr tun, aber das wird nicht ohne Abstriche bei anderen, vielleicht liebgewordenen Angeboten der Stadt gehen. Wer mehr Kleinkinder- und Schulkinder-Betreuung will, darf sich nicht wundern, wenn es dann weniger Geld und Personal an anderer Stelle gibt.

Das Wunschprogramm für Ulm lautet:

  • mehr und bessere Kinderbetreuung bei geringeren Gebühren
  • bessere Ausstattung der Schulen
  • stärkere Förderung der freien Kultur
  • Aufwertung des Theaters
  • Aufwertung des Museums
  • Förderung eines Einsteinmuseums
  • Ausbau ÖPNV mit weiteren Straßenbahnlinien
  • zügige energetische Sanierung vieler öffentlicher Gebäude
  • zügige Sanierung der Straßen und Brücken
  • mehr Sauberkeit und besserer Winterdienst
  • mehr Ordnungskräfte
  • mehr Förderung von Quartierstreffs
  • mehr Sozialarbeit vor Ort
  • weitere Investitionen in Bildung und Digitales
  • noch großzügigere Förderung des Sports

oder kurzgefasst: mehr, mehr, mehr!!!

Und die ernüchternde aber ehrliche Antwort muss lauten: NEIN, nicht mehr! Mehr geht nicht!

Ich finde, wir schulden den Menschen in Ulm diese Ehrlichkeit. Sonst wachsen die Erwartungen weiter in den Himmel und wir werden nichts als Frust, Unzufriedenheit, Enttäuschung und Protest und schließlich auch Protestwähler schaffen.

In den vergangenen Monaten hat meine Fraktion daher widerholt gegen Anträge gestimmt, die nach unserer Meinung den Rahmen des Verantwortbaren überschritten. Leider standen wir damit oft allein. Dass wir trotz einer nochmaligen Steigerung von über 5 Mio. bei den Ausgaben nächstes Jahr doch mit einem leichten Plus rechnen können, liegt nur an einer nochmals besseren Steuerschätzung. Und nur deshalb kann und wird unsere Fraktion diesem Haushalt zwar zustimmen, im Hinblick auf die Finanzplanung aber in Zukunft noch deutlicher das Wort gegen allzu große Höhenflüge der Kommunalpolitik erheben.

Auch dieses Jahr möchten wir uns bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die geleistete Arbeit bedanken, die jeden Tag mit Tatkraft und Engagement versuchen, den vielfältigen Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden.

Ihnen allen wünschen wir jetzt erholsame und fröhliche Festtage und dass das Jahr 2018 unseren hohen Erwartungen gerecht wird.

Vielen Dank!